Ein Engel für Schleswig
Der international anerkannte Bildhauer Jan Koblasa (1932–2017) ist als langjähriger Professor an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel mit Schleswig-Holstein eng verbunden, hat seine Spuren aber auch deutlich in unserer Stadt Schleswig hinterlassen: Im Garten des St. Johannis-Klosters hat er zusammen mit seinen Schülern großartige Steinarbeiten zu den beiden Themen „Propheten“ und „Tiere der Bibel“ verwirklicht und im Außenbereich von Schloss Gottorf findet sich vor dem Kreuzstall die viel beachtete eindrucksvolle Bronze-Gruppe „Christus und 4 Boten“.
Aus dem Nachlass des Künstlers können wir von seiner Ehefrau den im Bild anliegenden Bronzeengel erwerben – sein kraftvoller Fuß und seine vieldeutige Haltung inspirieren zur Frage nach dem Wirken der „Boten“ in unserer Welt und Gegenwart. Die Figur bildet eine spannende Ergänzung zu den Propheten und Tieren der Bibel einerseits und der Christusdarstellung mit den 4 Boten andererseits.
Wir wollen den Engel unmittelbar am Lollfuß gut sichtbar und begehbar auf dem bislang freien Rasengelände vor dem alten Pfarrhaus unserer St. Ansgar-Kirche aufstellen – und zwar auf einem gemauerten Brunnen mit der bislang hinter dem Pfarrhaus versteckt sprudelnden Lollfuß-Quelle.
Der erdverbundene Koblasa-Engel verbindet sich dann mit einer handgreiflichen Lebensquelle. Die Fläche soll im Übrigen unterstützend angemessen gärtnerisch gestaltet werden.
So kann einerseits ein hochwertiges und spannendes Kunstprojekt im Lollfuß verwirklicht werden, andererseits entsteht ein Verbindungsstück zwischen den Koblasa-Arbeiten im Gelände von Schloss Gottorf und im Garten des St. Johannis-Klosters. Stadtbewohner und Touristen können sich Koblasas Arbeiten im Rahmen eines „Pilgerweges“ erschließen, der sie vom Schloss über den Lollfuß (oder auch an der Schlei entlang mit einem Abstecher zu dem anliegenden Gelände von St. Ansgar) zum St. Johannis-Kloster führt und umgekehrt. Das wollen wir durch einen Flyer mit Informationen einerseits und anregenden Betrachtungen zum Weg und den Kunstwerken andererseits unterstützen.
Dieses Projekt wird aber nicht mit der Bauphase und dem Flyer enden. Es soll vielmehr zu einem langfristigen Engagement von Menschen aus unserer Gemeinde in Zusammenarbeit mit unseren evangelischen Freunden führen. Es ist geplant, mehrfach im Jahr Angebote zum gemeinsamen Pilgern in Gruppen zu machen. Das soll sich gerade auch an die in Schleswig immer zahlreicher werdenden Touristen wenden, denen so die christlichen Wurzeln dieser Stadt nahegebracht und neue Glaubensanstöße mitgegeben werden können.
Das Projekt ist natürlich und für jeden ersichtlich von einem spirituellen Ansatz geprägt: Glaube ist Quelle unseres Lebens, soll und muss sich nicht verstecken. Zugleich ist dieser Engel offen für die Welt und für fragende, suchende Menschen allgemein. Koblasas Engel steht mit seinem deutlichen Fußabtritt mitten im Leben, verweist aber gerade deshalb doch auch auf die Gegenwart des Transzendentalen in unserer Lebenswirklichkeit
Und schließlich wird uns der Engel-Brunnen und sein Standort in der schönen Schleistadt Schleswig deutlich machen, dass es sich lohnt, für die Bewahrung der Schöpfung auf dieser Erde einzutreten. Der so erdverbundene Engel und die Verbindung mit der Lollfuß-Quelle fordert zum Nachdenken auf, wie wir selbst Hüter und Schützer unseres Lebensraumes werden können, gleichsam zum Engel für unsere Erde und ihre Bewohner.
Und dieses Thema setzt sich im Klostergarten bei den Propheten und Tieren der Bibel fort und findet seinen tieferen Grund schließlich in Christus, wie ihn Koblasa vor Schloss Gottorf in Beziehung zu seinen Boten gestellt hat.
So greift das Projekt zugleich den Auftrag der Kirche auf, Gottes Lob zu verkünden und seine heilsame Gegenwart der Gesellschaft nahe zu bringen.
(Dr. Armin Teschner, veröffentlicht im Pfarrbrief der Pfarrei Sankt Ansgar, Ausgabe Nr.2 / 2023 )